31.12.2011

Ein Gedicht zur Lage der Welt am Jahreswechsel

Mario Benedetti
Ode an die Befriedung

Ich weiß nicht, wie weit die Friedensstifter mit ihrem metallischen Klang des Friedens noch gehen;
aber es soll schon Versicherungsvertreter geben, die Policen gegen die Befriedung verkaufen.
Und es sind Stimmen zu vernehmen, die das Würgeisen für jene fordern,
die nicht befriedet werden wollen.
Wenn die Friedensstifter anlegen, schießen sie natürlich für den Frieden
und mitunter befrieden sie zwei Fliegen mit einer Klappe.
Es gibt immer einen Dummkopf, der sich weigert, hinterrücks befriedet zu werden,
oder einen Hohlkopf, der sich der Befriedung niederer Intensität widersetzt.
Und wir sind ein derart eigenartiges Land,
in dem ein guter Friedensstifter wird, wer den Friedensstiftern den Frieden bringt.

Quelle

25.12.2011

Der zu beendende endlose Prozess

"Man stelle sich vor, daß das jährliche wirtschaftliche Wachstum aller Volkswirtschaften dieses Planeten im Durchschnitt drei Prozent betragen würde, dann entspräche dies in zehn Jahren einer Steigerung des Bruttoinlandsprodukts um 34,4 Prozent, in 100 Jahren um 1821,9 Prozent. Und man stelle sich vor, daß sich dieses Wachstum nur zur Hälfte in Waren, zur anderen in Dienstleistungen manifestieren würde, so könnte das in zehn Jahren 17,2 Prozent, in 100 Jahren rund 911 Prozent mehr Personenkraftwagen, Lastwagen, Flugzeuge ergeben. Entsprechend mehr Rohstoffe müßten aus immer größeren Tiefen der Erde gefördert werden, auch durch Erschließung des Meeresgrunds; entsprechend mehr Straßen, Autobahnen, Häfen, Flughäfen müßten gebaut oder erweitert werden, und trotz neuer Energiespar- und anderer ökologischer Techniken könnten die Lärm-, Luft-, Wasser- sowie Klimabelastungen zunehmen – zu schweigen von den sonstigen Schäden, die heute in der Technikfolgenabschätzung noch gar keine Beachtung finden. Mit anderen Worten, dem heillosen Wachstumswahn, dessen tiefste Ursache in der Logik des Kapitals zu finden ist, stehen natürliche Grenzen des Wirtschaftswachstums entgegen. Die Bemühungen, künftig Wüsten in Kulturlandschaften zu verwandeln, den Meeresgrund oder fremde Planeten zu besiedeln, können daran wenig ändern; sie werden angesichts der in alle Poren der Weltgesellschaft eingedrungenen Kapitalverwertungsinteressen nur die Schuldenberge und damit das Elend der Massen vergrößern."
Textausschnitt aus dem Artikel "Arbeitszeitverkürzung ist alternativlos" von Hans See, erschienen in "Ossietzky", 25/2011; http://www.ossietzky.net/25-2011&textfile=1699

Karl Marx sagte es so: "Der Markt muss beständig ausgedehnt werden, so dass seine Zusammenhänge und die sie regelnden Bedingungen immer mehr die Gestalt eines von den Produzenten unabhängigen Naturgesetzes annehmen, immer unkontrollierbarer werden" und "Reichtum ist der Inbegriff aller Gebrauchswerte; aber als immer nur ein bestimmtes Quantum Geld ist seine quantitative Schranke im Widerspruch zu seiner Qualität. Es liegt daher in seiner Natur, beständig über seine eigne Schranke hinauszutreiben: endloser Prozess."
Zitiert von Michael Jäger im Artikel "Das Geld ist der Gott unter den Waren“, bei "der freitag - online"; http://www.freitag.de/alltag/1151-das-geld-ist-der-gott-unter-den-waren



24.12.2011

Ballade von der Billigung der Welt

Bertolt Brecht (1932)

1
Ich bin nicht ungerecht, doch auch nicht mutig
Sie zeigten mir da heute ihre Welt
Da sah ich nur den Finger, der war blutig
Da sagt ich eilig, daß sie mir gefällt.

2
Den Knüppel über mir, die Welt vor Augen
Stand ich vom Morgen bis zur Nacht und sah.
Sah, daß als Metzger Metzger etwas taugen
Und auf die Frage: Freut's dich? sagte ich: Ja.

3
Und von der Stund an sagt ich ja zu allen
Lieber ein feiger als ein toter Mann.
Nur um in diese Hände nicht zu fallen
Billigte ich, was man nicht billigen kann. 

23.12.2011

Die Wahrheit über Staatsschulden


Von John Ralston Saul, Kanadischer Autor und politischer Publizist:
„… Seit mehr als zwei Jahrzehnten verlangen alle Regierungen von Wirtschafts- und Finanzexperten immer nur Vorschläge, wie Schulden zurückgezahlt werden können. Niemand hat sie je um Vorschläge gebeten, wie man Schulden nicht zurückzahlt. … Das Anhäufen zu hoher Schulden kommtin der Geschichte immer wieder vor. Man hat historisch einige Gegenmittel gefunden: Man bringt die Gläubiger um, jagt sie aus dem Land, erklärt sich für insolvent oder tritt in Vergleichsverhandlungen ein. Es gibt kein einziges Land, das durch die Zahlung seiner Schulden reich geworden wäre. Es gibt jedoch mehrere Beispiele, in denen ein Staat durch Zahlungsunfähigkeit oder auch Vergleichsverhandlungen reich wurde. …“
Quelle: DIE GAZETTE Das politische Kulturmagazin, Ausgabe 32, Winter 2011/2012; www.gazette.de

13.12.2011

Senioren-Kloster: Wohnprojekt(e) für Menschen in Altersarmut

„Ein Projekt nicht für alle – ja, höchstwahrscheinlich nicht einmal für viele. 
Ein Projekt wahrscheinlich nur für wenige. Aber warum nicht auch ein Projekt für wenige beginnen?
Dies ist nicht das fertige Produkt, nicht der Saft oder die Marmelade, sondern der Keimling, der erst zu Baum oder Strauch wachsen muss unter der wohlwollenden Pflege vieler, um Früchte zu tragen.
Es ist keine Lösung aller aktuellen Probleme und für alle alten Menschen, sondern ein erster Ansatz, der vielleicht den Weg weist hin zu einem umfassenderen Konzept.
Deshalb können auch am Anfang keine pflegebedürftigen und gebrechlichen Menschen betreut werden. 
Zu Beginn, als Start einer Entwicklung, braucht es gesunde, tatkräftige und besonders tolerante alte Menschen, die wenig zu verlieren haben, handwerklich geschickt sind, und die danach streben wollen, das Konzept so auszubauen, dass es irgendwann einmal auch für pflegebedürftige Menschen geeignet ist.
Warum überhaupt? Die Zahl älterer Menschen nimmt stetig zu. Die klassischen Wohnformen im Alter passen häufig nicht mehr. So ist es verständlich, dass es mittlerweile viele Wohnprojekte für alte Menschen gibt. Diese Angebote richten sich aber in aller Regel an gut abgesicherte, wohlhabende Rentner.
Für die immer größer werdende Menge der in Altersarmut lebenden Menschen gibt es bisher (meines Wissens) keine Angebote" …

08.12.2011

Occupy Wall Street, Phase zwei

"In den USA sind »Occupy Wall Streets« Zelte, Schlafsäcke und Suppenküchen vielerorts zerstört. Doch die konzertierte Aktion dutzender amerikanischer Bürgermeister hat das Gegenteil von dem erreicht, was geplant war. Jetzt steht ein neuer Kandidat für die Präsidentschaft in den Startlöchern. ...
Inspiriert von der Bewegung der 99% will Rocky Anderson, der frühere demokratische Bürgermeister von Salt Lake City, seine Kandidatur für das Weiße Haus anmelden. Simultan will er dann die Gründung der Justice Party bekannt geben. Anderson sieht diese Partei als Graswurzelbewegung, die langfristig von den Wählern gewünschte Politik-Veränderungen bringen soll. »Die Leute wollen eine alternative Partei haben«, sagt Rocky Anderson. »Sie haben erkannt, dass Demokraten und Republikaner, diese beiden militaristischen, von Korporationen beherrschten Parteien, uns das Disaster beschert haben, das uns heute zu schaffen macht.« ...
Wenn die Bewegung ihn - mit insgesamt 700 000 Stimmen - in allen 50 Bundesstaaten auf den Wahlzettel bugsieren würde, hätte er das Recht, an den Präsidentschaftsdebatten teilzunehmen."
Der ganze Artikel auf der Homepage von "publik-forum".

03.12.2011

Die Spaltung der Gesellschaft vertieft sich

Florian Rötzer 02.12.2011 auf www.heise.de/tp/artikel/35/35985/1.html

Nach neuen Berechnungen geht die Nettolohnquote gegenüber Gewinn- und Vermögenseinkommen weiter zurück. Die Einkommen sind in Deutschland nicht nur weiter ungleich verteilt, die Ungleichheit zwischen Lohneinkommen und Gewinn- und Kapitaleinkommen nimmt auch weiter zu. Auch die Armut und die Abstände zwischen unteren und mittleren sowie mittleren und hohen Einkommen steigen kontinuierlich weiter an. Die Politik unternimmt nichts gegen die soziale Spaltung der Gesellschaft, in der wenige Reiche immer mehr abheben.