30.04.2013

Mobilmachung II

Unsere Zukunft: Ein globales Szenario nackter Überlebenskämpfe?
Hans Jürgen Krysmanski lehrte bis 2001 Soziologie an der Universität in Münster. Sein Forschungsinteresse liegt seit vielen Jahren in der Soziologie der Superreichen. 2012 erschien von ihm das Buch »0,1% – Das Imperium der Milliardäre«, zu dem er eine kurze Zusammenfassung unter dem Titel „Planetarische Herrschaft“ veröffentlichte.
Zitate daraus:
„… »Es herrscht Klassenkrieg, richtig, aber es ist meine Klasse, die Klasse der Reichen, die Krieg führt, und wir gewinnen«, sagte Warren Buffett, mit über 60 Milliarden Dollar Privatvermögen einer der reichsten Männer der Welt, 2006 in einem Interview … Auf Wall Street … betrachten sich sogar solche Top­angestellten börsennotierter Unternehmen als kleine Mitläufer im Vergleich zu den Chefs von Hedge-Fonds, Venture-Kapital-Firmen und nicht öffentlich gelisteten Privatunternehmen … das private Imperium der Milliardäre wappnet sich, zum Beispiel durch Biopolitik … Seit etwa die Gates-Stiftung nicht nur Weltgesundheitspolitik betreibt … geht es um nichts anderes als die Eroberung der Schiffsbrücke … so verändern sich unsere großen Städte zu Gebilden mit abgeschirmten Geschäfts- und Wohnwolkenkratzern im Mittelpunkt und wachsendem Elend drum herum … Die dem öffentlichen Raum entzogenen Zonen werden durch hochtechnische Überwachungs- und Bedrohungsapparate (bis hin zu Drohnen) geschützt. Auch die Meere sollen für die wachsende Zahl von Megayachten sicherer werden … dass die Technologie der modernsten Armeen der Welt jetzt auch den ultrareichen Eignern von Superyachten und Luxusimmobilien zur Verfügung steht … Orte, an denen die Superreichen sich mit exklusiven und privilegierten Zirkeln des Private Banking und Wealth Managements kurzschließen … Generalstäbe, in denen Vorbereitungen für alle Eventualitäten getroffen werden können … Im Endeffekt kontrollierten demnach weniger als ein Prozent der Konzerne 40 Prozent des gesamten Netzwerks … die Geldeliten ... beginnen … auf eigene Faust mit Söldner­armeen sowie privaten Polizei- und Geheimdiensten zu operieren, denn Klimawandel, Ressourcenprobleme und wachsende, unumkehrbare Arbeitslosigkeit deuten auf ein kommendes globales Szenario nackter Überlebenskämpfe …“

Peer Steinbrück, SPD-Ministerpräsident 2006: »Soziale Gerechtigkeit muss künftig heißen, eine Politik für jene zu machen, die etwas für die Zukunft unseres Landes tun: die lernen und sich qualifizieren, die arbeiten, die Kinder bekommen und erziehen, die etwas unternehmen und Arbeitsplätze schaffen, kurzum, die Leistung für sich und unsere Gesellschaft erbringen. Um die - und nur um sie - muss sich Politik kümmern«. Mit dieser Formulierung bricht Steinbrück mit dem Sozialstaatsgebot des Grundgesetzes, dass sich (Regierungs-)Politik vorrangig um Menschen zu kümmern habe, die nichts oder wenig leisten (können), zum Beispiel Schwerstbehinderte, Obdachlose, Drogenabhängige, Arbeitslose u.a.
Der sozialdemokratische Kanzlerkandidat als Wahlkämpfer 2013: »Ich bin unverändert der Meinung, dass die SPD dringend jene ansprechen muss, die die Lastesel des Sozialstaates sind. Diese Menschen dürfen wir nicht überfrachten, weil sie sonst den Solidarvertrag aufkündigen«.

Warnung: „Wo Verzweiflung wächst, nimmt Radikalisierung zu ... Dieser Gefahr zu begegnen ist mindestens so wichtig wie die Eindämmung des Haushaltsdefizits.“ - Kommentar in der „Welt“ vom 28.04.13. Gemeint sind wir, nicht die Superreichen.

Aktuell: Wie Griechenland zu einem Land der Dritten Welt wurde und die solidarische Widerstandspraxis grenzüberschreitend wird. Das PDF-Dokument „Solidarität ist die Macht der Völker - für eine internationale Solidaritätskampagne mit der griechischen Bevölkerung“: www.solidarity4all.gr/sites/www.solidarity4all.gr/files/deutsch.pdf

28.04.2013

Meritokratie statt Demokratie - Extremismus der Mitte


»Laut Michael Spence, dem Wirtschafts-Nobelpreisträger von 2001, soll ein "wohlwollend autoritäres System" die optimalen Voraussetzungen für langfristiges Wirtschaftswachstum bieten, da Demokratien innerhalb eines "zu kurzen Zeithorizonts" agieren … auch der kanadische Philosoph Daniel A. Bell sieht inzwischen in der repräsentativen Demokratie westlicher Prägung nicht mehr den besten "Weg, um ein politisches System zu organisieren". Stattdessen solle eine strikte Auslese der Führungselite nach "intellektuellen Fähigkeiten und moralischen Standards" stattfinden. Innerhalb einer solchen Meritokratie könnte auch eine neue Stimmgewichtung etabliert werden, erläuterte der in Peking lehrende Philosoph: "Denkbar wären mehr Stimmen für Menschen mit besserer Erziehung." Überdies seien Wahlen nur auf lokaler Ebene sinnvoll, wo "falsche Entscheidungen nicht so sehr ins Gewicht" fielen.
Dieses autoritäre, postdemokratische Denken wird somit nicht an den "extremistischen Rändern" des publizistischen und wissenschaftlichen Spektrums geformt, sondern in dessen arrivierter Mitte. Es ist ein Extremismus der Mitte, der hier zum Ausdruck kommt – und der offensichtlich von den nicht enden wollenden Krisenschüben seit 2007 befördert wird … Obwohl sich der Kapitalismus offensichtlich in einer fundamentalen Wirtschaftskrise befindet, stehen nur die Grundlagen der politischen Sphäre zu Diskussion, während die Wirtschafts- strukturen jenseits der Kritik blieben … Das Kapital und die "freien Märkte" stehen selbst in der gegenwärtigen Systemkrise niemals zur Diskussion oder Disposition, weil sie in der herrschenden Ideologie den Charakter von natürlichen Gesetzmäßigkeiten annehmen, die aus unabänderlichen Wesenseigenschafen des Menschen oder der Natur entspringen … Alles ist Ware, die Märkte sind allgegenwärtig, alle Insassen dieses gesamtgesellschaft- lichen Irrenhauses sind dem Verwertungszwang des Kapitals unterworfen ...«
Die ganze Analyse von Tomasz Konicz: http://www.heise.de/tp/artikel/38/38928/1.html
An den Rändern Europas findet die Einführung der Meritokratie bereits statt. Ob die demokratischen Gegenbewegungen dies aufhalten können, hängt auch von der Kraft der deutschen Opposition ab.

16.04.2013

NATO-Geheimarmeen – heute nicht mehr?


Aus einem Interview mit dem „Stay-Behind“-Forscher, Historiker und Gründer des Swiss Institute for Peace and Energy Studies Dr. Daniele Ganser:
„… Die Forschung kann bestätigen, dass die NATO Geheimarmeen unterhielt. Die Forschung kann auch bestätigen, dass diese Geheimarmeen über die zwei geheimen NATO-Kommandostrukturen Allied Clandestine Committee ACC und Clandestine Planning Committee CPC koordiniert wurden. Das wissen wir von Offizieren des italienischen Militärgeheimdienstes, die an den ACC und CPC Sitzungen teilnahmen. Die NATO führte die Geheimarmeen … Man muss im Auge behalten, dass die NATO mächtig ist, sie ist die größte Militärallianz der Welt, sie hat Gaddafi in Libyen gestürzt, führt Krieg in Afghanistan und hat 1999 Serbien bombardiert. Wenn Journalisten, Historiker und Gerichte die brisante These bestätigen könnten, dass die NATO in Europa in Terroranschläge verwickelt war, dann wäre die Glaubwürdigkeit der größten Militärallianz der Welt völlig erschüttert … Fragen Sie mal ihren besten Freund, ob er sich vorstellen kann, dass die USA im Kalten Krieg in Europa Terroranschläge durchführen ließen? Die meisten halten das für völlig verrückt. Die historischen Daten deuten aber in diese Richtung, auch wenn man es nicht beweisen kann … Über die NATO Geheimarmeen und mögliche Verbindungen zu Rechtsextremen und Terroranschlägen will man in Deutschland nicht sprechen. In anderen Ländern übrigens auch nicht …“
Quelle und ganzes Interiew: www.heise.de/tp/artikel/38/38930/1.html

09.04.2013

Dürfen die das denn?

Solidarität statt Staat: „Wie die Spanier die Finanzkrise meistern: ... Die Menschen in Spanien pfeifen zunehmend auf die Regierung und bauen sich voller Trotz und Kreativität ihren eigenen Staat … Statt Geld wird Arbeit getauscht. Klassische kapitalistische Mechanismen werden in Spanien im Zuge der Krise nach und nach außer Kraft gesetzt. Hilfe von unten - die Solidarität in den Familien ist der einzige Rettungsanker, wenn der Staat auseinanderbricht. Eine ganze Gesellschaft stellt den Wert der Familie und der Solidarität über andere Werte, sogar über den Staat und über das Gesetz..."
Bericht vom Montag, 8. April 2013 auf „Kulturzeit/3Sat“

06.04.2013

Mobilmachung

„Da läuft’s dir eiskalt den Rücken runter“ (Til Schweiger) 

Der ehemalige Eurogruppen-Chef Jean-Claude Juncker: „Ich will nicht ausschließen, dass wir Gefahr laufen, eine soziale Revolution, eine soziale Rebellion zu erleben“.

Die aktuelle Situation:
Offizielle Arbeitslosigkeit auf Höchststand. Junge Leute sind besonders betroffen. Die Arbeitslosigkeit in den 17 Euro-Ländern hat den höchsten Stand seit elf Jahren erreicht. Im Februar waren im Euro-Währungsgebiet 19,07 Millionen Menschen ohne Job, 33 000 mehr als im Januar. Im Schnitt lag die Jugendarbeitslosigkeit in der Euro-Zone bei 23,9 Prozent. Es wird deutlich, dass die Industrie weiter an Fahrt verliert. Das Risiko ist gestiegen, dass sich der Abschwung im Frühjahr noch verstärkt. Auch dürften die Konsumausgaben in den kommenden Monaten fallen.
(Quelle: dpa, Reuters) Zitiert auf http://www.jungewelt.de/2013/04-03/029.php

Ein Projekt aus Kristina Schröders Familienministerium:
„Das Familienministerium finanziert derzeit ein Forschungsprojekt mit dem Titel »Zwischen Gesellschaftskritik und Militanz: Politisches Engagement, biographische Verläufe und Handlungsorientierungen von Jugendlichen in Protestbewegungen und linksaffinen Szenen«. Es will die »Ursachen von Linksextremismus und islamistischem Extremismus bei Jugendlichen und jungen Menschen« erforschen, um ihnen präventiv entgegenzuwirken. Das geschieht unter anderem mittels einer »Demokratieerklärung«, auch Extremismusklausel genannt, die Organisationen bei Fördergeldanträgen abverlangt wird … Die Studie ist ein Gemeinschaftsprojekt der Universität Luxemburg und der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin, an welcher es im Fachbereich »Polizei und Sicherheitsmanagement« angesiedelt ist … Die Studie identifiziert unter ihren jugendlichen Forschungsobjekten anhand biographischer Merkmale Risikogruppen und liefert dem Staat und seinen zuständigen Diensten so Informationen zu deren »Behandlung« und der von ihnen ausgehenden Gefahr der »Militanz« …“

Eine zivil-militärische Gesamtverteidigung wird aufgebaut:
Die ausschließlich aus Reservisten bestehenden »Sicherungs- und Unterstützungskräfte« üben zusammen mit der Bundeswehr und Hilfsorganisationen den »Heimatschutz« … Regionale Sicherungs- und Unterstützungskräfte, im Militärjargon kurz RSUKr. Die ausschließlich aus Reservisten der Bundeswehr bestehende Einheit soll laut Bundesverteidigungsministe­rium (BMVg) 27 Kompanien mit einer Gesamtpersonalstärke von 2700 Mann umfassen; aktuell ist sogar von bis zu 32 aus mehr als 3000 Reservisten bestehenden Kompanien die Rede. Die Angehörigen der RSUKr, die bei Bedarf jederzeit einberufen werden können, sind den in allen sechzehn Bundesländern implementierten »Landeskommandos« der deutschen Streitkräfte unterstellt; zu ihren primären Aufgaben gehört es nach Angaben des BMVg, »die aktive Truppe … im Rahmen des Heimatschutzes (zu) unterstützen«. Verstanden wird hierunter ein ganzes Bündel von Maßnahmen: Die »Überwachung und Gewährleistung der Sicherheit des deutschen Luft- und Seeraums« und die »Absicherung militärischer Anlagen« im Inland zählen ebenso dazu wie die »Amtshilfe« für andere Repressionsdienste – etwa zum »Schutz kritischer Infrastruktur« oder bei »innerem Notstand« … Laut seiner am 1. Februar 2012 verkündeten »Konzeption der Reserve« ist der »Heimatschutz« deren »wesentliche Aufgabe«; zur Abwehr von »asymmetrischen und insbesondere terroristischen Bedrohungen« müßten sie die »zivilen Sicherheits- und Katastrophenschutzkräfte« auf breiter Front »ergänzen« … 470 auf der Ebene der Regierungsbezirke, der Landkreise und der kreisfreien Städte eingerichteten »Bezirks- und Kreisverbindungskommandos« als auch neunzehn über die gesamte Bundesrepublik verteilte »Stützpunkte« für »zivil-militärische Zusammenarbeit« …“
Quelle und ausführlicher Bericht: www.jungewelt.de/2013/04-03/006.php

Drohnen für Polizei- und Kriegseinsätze und zur gezielten Tötung unliebsamer Personen:
„Die Europäische Agentur für Luftsicherheit (EASA) in Köln will bis 2016 gemeinsame Standards zum Betrieb größerer Drohnen im zivilen Luftraum entwickeln. Dann könnten die unbemannten Luftfahrzeuge auch von gewöhnlichen Flughäfen starten. Um für die Drohnen ein Ausweichen vor anderen Luftfahrzeugen technisch umzusetzen, finanziert die EU-Kommission etliche Forschungsprojekte. Auftragnehmer sind große europäische Rüstungskonzerne wie EADS und Thales …“
„Unter dem Namen AEROCEPTOR startet die Europäische Union ein Forschungsprogramm zur Nutzung von Drohnen, um beispielsweise flüchtende Fahrzeuge zu stoppen. Die Gesamtkosten werden auf 4,8 Millionen Euro taxiert, wovon die EU-Kommission rund zwei Drittel übernimmt. Der Rest wird von den beteiligten Projektpartnern aus der Rüstungsindustrie, Innenministerien und Instituten übernommen. … Jedoch wird bei AEROCEPTOR auch mit sogenannten ‚nicht-tödlichen Waffen‘ hantiert. Jedenfalls deutet darauf die Teilnahme der Firma Etienne Lacroix aus Frankreich hin, die auf Pyrotechnik spezialisiert ist. Zum Portfolio der Firma gehören Leuchtraketen ebenso wie Blendschockgranaten, Sound-Granaten oder der Einsatz von Rauch und Gas. … Das harmonisiert mit einem anderen EU-Vorhaben, das 2016 auf die Schiene gebracht werden soll: Dem ‚Einheitlichen Europäischen Luftraum‘ (‚European Single Sky‘). Geplant ist, dass Flugroboter mit einem Abfluggewicht von über 150 Kilogramm dann nicht mehr in eigens reservierten Korridoren verkehren, sondern gleichberechtigt am zivilen Luftverkehr teilnehmen (EU will zivilen Luftraum für schwere Drohnen öffnen). Der Informationsdienst Euobserver berichtet diesbezüglich von einer Workshop-Reihe der EU, die eine ‚hybride Nutzung‘ von Aufklärungsdrohnen für militärische und zivile Zwecke untersucht …“

Vernetzung von Universitäten, privater Wirtschaft, Militär und Polizei:
»Nach den Vorstellungen des Bundesinnenministers«, so der Internetauftritt des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK), »soll der zivile Bevölkerungsschutz als vierte Säule (neben Polizei, Bundeswehr und Diensten) im nationalen Sicherheitssystem verankert werden« … Es geht, kurzum, um all jene Formen »asymmetrischer Kriegsführung«, zu denen feindliche Kombattanten greifen könnten, die mit der Präsenz der deutschen Armee in aller Welt nicht einverstanden sind. Es geht um die deutsche Heimatfront. … Christoph Unger, Präsident des BBK, am Freitag. Für die Absolventen bestünden Aufstiegschancen ins »gehobene Management«: Es sei schließlich noch nicht allzulange her, daß die DAX-30-Unternehmen ihre Werkschutzfachleute »aus dem militärischen Führungspersonal abgeworben« hätten. Genau diese Trennung zwischen Wirtschaft und Armee soll sich, auch dank der Kooperation zwischen HWR und BBK, auflösen. »Wenn die große Krise kommt, müssen alle an einem Strang ziehen«, meint Behördenchef Unger.“

Krieg wird zur Unterhaltung und Krieger wollen unterhalten werden:
Wo, bitte, geht’s denn hier zur Front, fragen immer mehr Stars und Sternchen der Unterhaltungsindustrie … Früher nannte man es „Wehrmachtstournee“ …
Ausführlicher Bericht über „embedded Popkultur“ an der deutschen Front: http://www.hintergrund.de/201304022515/globales/kriege/frueher-hiess-das-wehrmachtstournee.html