"… Diese Unterstützung der Türkei gestaltet sich vielfältig.
Es werden Waffen und Munition an den IS geliefert, damit dieser die Menschen in
Nordsyrien - allen voran die YPG - angreifen kann. Die Türkei stellt dem IS
auch Trainingskamps zu Verfügung, wie etwa die israelische Zeitung Haaretz berichtete.
Das ist ein offenes Geheimnis, und die Menschen aus der Region wissen das auch.
Die Kämpfer des IS können auch faktisch die Grenze zur Türkei frei passieren
und Rekrutierungspropaganda in der Türkei betrieben. In den Dörfern und auch in
den Metropolen wie Istanbul finden in aller Öffentlichkeit Rekrutierungen durch
den IS statt, bei denen mitunter IS-Fahnen offen geschwenkt werden. Es werden
Spendensammlungen für die Islamisten veranstaltet. Die IS-Kämpfer genießen medizinische
Versorgung in der Türkei, sodass die Krankenhäuser in der Grenzregion mit
Islamisten überfüllt sind.
Die jüngsten Waffenlieferungen fanden kurz vor der Offensive
des IS nahe Kobane statt, sie wurden laut Augenzeugenberichten mit der Bahn
organisiert. Zudem sollen fünf mit Munition beladene LKWs an den IS von
türkischen Stellen geliefert worden sein. Der IS verkauft ja auch das Erdöl,
das aus den von ihm kontrollierten Ölquellen gefördert wird, über die Türkei
weiter. Ankara führt auch Gespräche mit dem IS, die unter dem Vorwand der
Geiselbefreiung legitimiert wurden. Doch zugleich erklärte etwa der damalige
türkische Außenminister Ahmet Davutoğlu Anfang August, dass es sich beim IS
nicht um eine Terrororganisation handele, sondern um eine wütende,
missverstandene Gemeinschaft. Davutoğlu ist seit kurzem Ministerpräsident der
Türkei … Der IS sagt es doch selbst, dass sie jeden Andersgläubigen oder
Ungläubigen umbringen oder köpfen werden. Auch ihr konkretes Vorgehen kann so
charakterisiert werden. Es werden Frauen entführt, sie werden vergewaltigt und
versklavt. In Mosul wurden Märkte für Sex-Sklavinnen errichtet, wo Frauen für
wenig Geld verkauft werden. Es werden Menschen auf offener Straße willkürlich
ermordet, Massaker sind an der Tagesordnung. Dann kann man doch nur noch vom
Faschismus sprechen.“
Wer profitiert am meisten?
Can Cicek ist Mitarbeiter des Kurdischen Zentrums für
Öffentlichkeitsarbeit Civaka Azad. Das Interview wurde am 23. September
telefonisch geführt von Thomasz Konicz.
Quelle:http://www.heise.de/tp/artikel/42/42861/1.html