30.05.2016

Demokratur

Die Eliten im Lande diskutieren bereits seit Jahren über Sinn und Unsinn, die Vor- und Nachteile der Demokratie. Die Fesseln der Demokratie werden ihnen zunehmend lästig. Wer aber sind diese „Eliten“? Wie organisieren und exekutieren sie ihre Macht? Und wie erreichen sie es, dass es so wenig Gegenwehr gegen immer weiteren Sozialabbau, Entsolidarisierung und Entdemokratisierung gibt? Zu diesen Fragen sprach Jens Wernicke mit dem Autor und Journalisten Marcus Klöckner:
» Stellen Sie sich nur einmal vor, was wäre, wenn plötzlich über Nacht in den Parlamenten und an den anderen Schaltstellen der Macht nur die Armen und Ärmsten sitzen würden. Hätten wir dann nicht schlagartig eine andere – ich will erstmal gar nicht sagen: eine „bessere“, aber eben doch eine andere – Politik? Von daher: Wer oben steht, wer in der Lage ist, weitreichende Entscheidungen zu treffen, die die Bürger betreffen, das ist von zentraler Bedeutung für ein Land und seine Gesellschaft ...  Der Umgang mit den Armen in unserem Land ist oftmals gekennzeichnet von offener oder heimlicher Verachtung und Ausgrenzung; und das zieht sich von da eben auch bis in die Parlamente. Ich möchte gar nicht wissen, wie weit die klassistischen Ressentiments gegenüber den Prekären in unserer Gesellschaft bei so manchem Abgeordneten gehen ... Der im Parlament vorhandene Blick auf die Armen und das Phänomen der Armut lässt es insofern erst gar nicht zu, dass politische Mehrheiten entstehen, die tatsächlich zu Entscheidungen führen, die den unteren Schichten, den Schwachen, den Armen, zugutekommen: Grundlegende Strukturveränderungen, die auch einmal den Armen richtig in die Karten spielen würden, lassen sich mit einem Parlament, dessen Mitglieder in ihren Entscheidungen oft genug ein Verhalten erkennen lassen, das von alles anderem als Sympathie für die Armen geprägt ist, einfach nicht durchsetzen ... Eine Politik, die den Armen in unserem Land richtig hilft, ist einfach „nicht sexy“. Mit solch einer Politik würden viele Parlamentarier auf Ablehnung bei genau den Schichten und Klassen in der Gesellschaft stoßen, die ihnen ihre Stimme geben und von denen natürlich auch die größten Spenden und maßgeblichste politische Unterstützung zu erwarten sind. Das ist bitter, aber so ist es. Der Kreis zwischen Teilen der Bevölkerung, die den Armen am liebsten noch weniger zukommen lassen möchte, und einer Politik, die Veränderungen herbeiführen könnte, es aber nicht will, schließt sich. «

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