Die
Faschisierung islamisiert, nicht der Islam faschisiert. - „ ... Söhne oder Enkel
von Arbeitsmigranten ... sehen weder eine Perspektive noch einen Platz für
sich. Selbst diejenigen mit etwas besserer Bildung, die das Abitur geschafft
haben, teilen diese Sicht der Dinge: Da ist kein Platz für sie, jedenfalls kein
Platz, der ihrem Wunsch ent- spricht. Aus ihrer Sicht stehen diese jungen Leute
am Rand und haben weder am Erwerbsleben noch am Konsum noch an der Zukunft
teil. An diesem Punkt bietet ihnen die Faschisierung – im propagandistischen
Diskurs aus Dummheit »Radikalisierung« genannt, obwohl sie nichts anderes ist
als eine Regression – eine Mischung aus opferbereitem, kriminellem Heroismus
und »westlicher« Wunschbefriedigung. Auf der einen Seite wird der junge Mensch
zu einem Mafioso, der stolz darauf ist, einer zu sein, und der sich einem
kriminellen Heroismus opfert: Leute aus dem Westen töten, die Mörder anderer
Banden besiegen, Grausamkeiten zur Schau stellen, Territorien erobern und so
weiter. Auf der anderen Seite gibt es Momente »schönen Lebens« und die
Befriedigung diverser Wünsche. Der IS bezahlt seine Handlanger recht gut, sie
bekommen weit mehr als das, was sie bei einer »normalen« Arbeit in ihrer Heimat
verdienen würden. Und außer Geld gibt es noch Frauen, Autos und so weiter. Es
ist also eine Mischung aus tödlichen heroischen Angeboten und westlicher
Verführung durch Waren. Diese Mischung ist erprobt und letztlich seit jeher ein
Merkmal faschistischer Banden ... Bei diesem Cocktail kann Religion durchaus
eine identitätsstiftende Beigabe sein, gerade weil sie eine vorzeigbare antiwestliche
Referenz ist. ...“
Der
vorliegende Text ist ein Auszug aus dem Band "Wider den globalen
Kapitalismus. Für ein neues Denken in der Politik nach den Morden von Paris" von Alain Badiou.
Ullstein-Verlag, 64 S., 7 €, ISBN-13 9783550081521
Quelle: www.freitag.de/autoren/der-freitag/faschisierung
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