Die „Governance“-Strategie: » Alles
soll „Markt“ werden, nichts mehr so bleiben, wie es einst war ... Um das zu erreichen, hat sich das neoliberale Regime lange
Zeit auf entstellende Art und Weise religiöser, humanistischer oder
aufklärerischer Sinn-Motive bedient, um seinem globalen Entwurzelungs- und
Umverteilungsprojekt Legitimation zu verschaffen und seine zerstörerischen
Verwerfungen zu kaschieren: Die EU wurde als „Friedens“-Projekt deklariert, die
Unterwerfung des Einzelnen unter Sachzwänge als „Freiheit“ verkauft, die „Menschenrechte“
als Kriegsgrund prostituiert und die Folgen der Finanz- und Bankenkatastrophe
in eine Staatsschuldenkrise umerzählt und in Austeritätspolitik umgemünzt, die
damit begründet wurde, „wir“ hätten „über unsere Verhältnisse gelebt“. Die Idee
des „Fortschritts“ flankiert selbst noch die Abwicklung der Sozialsysteme, denn
schließlich müsse man „den Gürtel enger schnallen“, damit alles „besser“ werden
könne. Den Griechen dagegen gehe es schlecht, weil sie „faul“ seien und ihre
„Hausaufgaben“ nicht machten ... Was etwa hat die SPD noch mit sozialer
Gerechtigkeit zu tun, die CDU mit dem christlichen Menschenbild, die Grünen mit
der Friedensbewegung, die FDP mit einem emanzipatorischen Konzept von Freiheit?
Sind diese an sich diskussions- und sogar begrüßenswerten Konzepte wirklich
noch handlungsleitende Orientierungen der Akteure oder längst schon nur noch
reine Marketingköder, um die Parteibasis und das Wahlvolk bei Laune zu halten,
während hinter den Kulissen eine ganz andere Agenda verfolgt wird? ... Governance
exekutiert, ihre Agenten sind die Technokraten, wie es sie in jeder Partei,
Universität oder Kirche, in jedem Krankenhaus, Theater, in Wohlfahrtsverbänden,
Gewerkschaften und Universitäten gibt. Dies ist geradezu die Voraussetzung für
ihre universelle Expansion in alle Bereiche, dass es ihr gleichgültig ist,
womit und mit wem sie es zu tun hat ... So wenig das Governance-Regime mangels
Verstehen deshalb eine angemessene Antwort auf den Terror finden wird, so wenig
wird es in der Lage sein, die Frage nach der Gerechtigkeit, nach Glück,
Gesundheit, Bildung, kultureller Relevanz und anderem zu beantworten. Diese
notwendigen Antworten sind nämlich kein Aggregat von Kennziffern, sondern Sinn-
und Lebensentwürfe, also eben das, was dem Neoliberalismus, der nichts anderes
als eine „Klassenkampfideologie“ der Oberen gegen die Unteren darstellt,
vollständig fehlt ... Entweder folgt nun auf die Phase des Regierens über
weiche Steuerung die längst vorbereitete offene Repression und also der Weg in
eine immer totalitärere Regierungsform ... oder aber die Leitideen der Moderne
von Gerechtigkeit, Aufklärung, Solidarität, Emanzipation, Humanismus werden
endlich wieder zum Maßstab des Politischen erhoben, in einer Situation, in der
die Chance auf Gegenwehr nunmehr sehr günstig ist ... Dieser Fall kann aber nur
dann eintreten, wenn wir für ihn eintreten. Wir allesamt. Wider die Prinzipien
der kalten instrumentellen Vernunft, der verlogenen Governance – und für das
Wiedererstarken der humanistischen Idee von einer humaneren Welt. «
Aus einem Gespräch mit dem Publizisten und Philosophen Matthias
Burchardt von der Universität Köln: www.nachdenkseiten.de/?p=34675
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